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Senioren am Steuer - sollen Oma und Opa noch selbst mit dem  Auto fahren?

21.10.2023 - Medizinisches - von Claudia Franke

Gerade in unserem Autofahrerland Deutschland ist diese Frage ein echter Aufreger. Kaum etwas wird auch in der Seniorenberatung in unserer Praxis so emotional diskutiert wie die Beurteilung der Fahreignung im Alter. 

Ein paar Fakten

  • Menschen ab 65 Jahren verursachen mit nur 17,4 % einen geringeren Anteil an Unfällen mit Personenschaden, als ihr Anteil in der Bevölkerung ist (22%) - so schreibt es der ADAC und beruft sich auf Zahlen des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2021. 
  • Andererseits tragen Ältere, falls sie in einen Unfall verwickelt sind, sehr häufig die Hauptschuld (bei über 64-jährigen 67 % und bei über 75-Jährigen gar 75 %), ebenfalls basierend auf Daten des Statistischen Bundesamts. Hier beruft sich die Süddeutsche Zeitung auf Zahlen von 2015, und fügt an, dass es Daten gibt, dass ältere Menschen schneller den Überblick verlieren, wenn es sich um komplexe Situationen handelt.
  • Etwa 2-7% aller tödlichen Kfz-Unfälle werden durch eine plötzliche Bewusstlosigkeit der Person am steuer verursacht. Wie häufig allerdings tatsächlich Krankheiten Ursache von Unfällen sind, wird nicht systematisch erfasst. Daher ist eine Einschätzung der oben genannten Zahlen in Bezug auf auf durch Krankheit bedingte Unfälle bei Senioren nicht möglich. Häufig sind allerdings Herzerkrankungen vor dem Unfall schon bekannt. In einer japanischen Studie (dort gibt es ein Register) waren über 50 % durch Krankheiten an Blutgefäßen im Gehirn oder herznah bedingt, aber bei nur 25 % der Patienten keine Herzerkrankung im Vorfeld festgestellt worden.
  • Gesetzlich unterschieden wird zur Beurteilung der Fahreigung, um welche Fahrzeuge es sich handelt (bis 3,5t und Motorräder oder aber ab 3,5t/Berufskraftfahrer:innen mit und ohne Personenbeförderung). 
  • Nach der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) gibt es die Vorgabe, dass durch körperlich oder geistig beeinträchtigte Verkehrsteilnehmer selbst oder einen für ihn Verantwortlichen Vorsorge getroffen werden muss, dass andere durch die Teilnahme am Straßenverkehr nicht gefährdet werden. 
  • Wer ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, macht sich unter Umständen nach §315c StGB sogar strafbar.
  • In einem Anhang der FeV gibt es auch Richtwerte, wie lange eine Fahrtauglichkeit beispielsweise nach einem Akutereignis wie einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt eingeschränkt oder nicht gegeben ist.

Regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen

Auf EU-Ebene gibt es Ideen zu einer Führerscheinreform, die u.a. länderübergreifend regeln soll, wie lange der Führerschein ab einem bestimmten Alter gültig ist. In manchen europäischen Nachbarländern wird diese Thema insofern pragmatisch gehandelt, als regelmäßige Gesundheitschecks vorgeschrieben sind, z.B. in Spanien, Italien, Portugal, den Niederlanden und Dänemark. 

In Deutschland sind solche Gesundheitschecks nicht vorgeschrieben, aber ab dem 35. Lebensjahr alle 3 Jahre möglich. Chronisch kranke Patienten werden außerdem regelmäßig gesehen, beispielsweise in sog. Disease Management Programmen (DMP) für Diabetiker, Herz- oder Lungenkrankheiten. Ab dem 70. Lebensjahr wird von unserer Seite auch mindestens 1x im Jahr ein sog. geriatrisches Basisassessment durchgeführt, um altersbedingte Risiken wie Sturzgefährdung, Pflegebedürftigkeit und Gedächtnisstörungen besser einschätzen zu können. Sollte hier der Verdacht auf eine eingeschränkte Fahrtauglichkeit aufkommen, empfehlen wir die Vorstellung bei einem Verkehrsmediziner, der nicht der behandelnde Haus- oder Facharzt ist. Auch möglich sind Tests beim ADAC oder TÜV. Wir sind verpflichtet, unsere Patientinnen über eine bestehende Fahruntauglichkeit aufzuklären, haben aber keine generelle Meldepflicht gegenüber den Verkehrsüberwachungsbehörden. 

Individuelle Beratung und Entscheidungen

Die wichtigste Botschaft dieses Beitrags aus Sicht von uns Landärztinnen ist: Wir sind uns dessen bewusst, dass gerade in ländlicher Umgebung das Auto das wichtigste Verkehrsmittel ist. Es bedeutet einen enormen Verlust der Unabhängigkeit, wenn auf den Führerschein verzichtet wird oder werden muss. Wir wissen auch, dass ein gesunder 90-Jähriger sicherer und umsichtiger fahren könnte als ein kranker und eingeschränkter 50-Jähriger - und dass auch chronisch kranke Menschen oder Menschen mit Handicap sehr sicher und umsichtig fahren können. Aber gerade weil diese Diskussion individuell geführt werden muss, möchten wir Sie in dieser Angelegenheit auch individuell beraten. Melden Sie sich, wenn Sie Interesse zu dem Thema haben - und halten Sie Ihre Vorsorgetermine ein. Einen sonnigen Nachmittag wünsche ich Ihnen.

Bildquelle: Bild von Jonathan Judmaier auf Pixabay

Quellen aus dem Text:

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